Pflichtteil berechnen § Rechtslage, Erbvorbezug & mehr
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Nach dem Tod einer Person müssen sich die Hinterbliebenen zumeist nicht nur um die organisatorischen Faktoren, wie einer Beerdigung kümmern, sondern werden auch mit der Abwicklung der Erbschaft konfrontiert. Auch wenn viele dabei nur an das Testament oder andere Verfügungen von Todes wegen denken, gibt es auch den gesetzlichen Pflichtteil, dessen Vorschriften eingehalten werden müssen selbst wenn der Erblasser dies eigentlich nicht vorgesehen hätte. Den Pflichtteilserben steht demnach ein Mindestmass an Erbanteil zu. Wer aber zählt zu dieses Erben, wie erfolgt die Berechnung des Pflichtteils und von welchem Wert wird der Pflichtteil berechnet? Diese und weitere Fragen beantworten wir Ihnen im folgenden Beitrag.
- In der Schweiz zählen zu den Pflichtteilberechtigten nahe Angehörige. Das sind Nachkommen wie Kinder, Enkel und Urenkel, Ehepartner bzw. eingetragene Partner und eventuell Elternteile und Geschwister.
- Nicht alle Pflichterben haben die selben Ansprüche: Dieser ist abhängig von der Erbkonstellation.
- Die Grundlage für das Pflichtteil berechnen bildet die gesetzliche Erbquote.
Rechtliche Grundlage zum Pflichtteil berechnen
Die grundlegenden Gesetze zum Pflichtteil sind allgemein im Schweizer Erbrecht zu finden. Der Grossteil der dafür relevanten Regelungen ist dabei im Zivilgesetzbuch (ZGB) der Schweiz festgehalten. Dieses sieht vor, dass der Erblasser grundsätzlich nicht völlig frei über seinen gesamten Nachlass verfügen kann (Art. 470 ZGB), sondern dem Kreis seiner engsten Angehörigen ein festgelegter Pflichtteil zusteht, den diese mindestens erhalten müssen. Auf den sogenannten Pflichtteilschutz sowie die Höhen der jeweiligen Pflichtteilansprüche, was für die Pflichtteilsberechnung besonders ausschlaggebend ist, wird in Art. 471 ZGB eingegangen.
Artikel 473 des ZGB widmen sich den Regelungen zur Begünstigung des Ehegatten. Die Artikel 474, 475 und 476 ZGB gehen genauer auf die Berechnung ein. So werden darin Schuldenabzug, Zuwendungen unter Lebenden sowie Versicherungsansprüche geregelt. Art. 478 bis 480 ZGB gehen auf die Enterbung und damit die Entziehung des Pflichtteils ein.
Allgemeines zur Pflichtteilsberechnung
Der Pflichtteilschutz des Schweizer Erbrechts dient dazu, die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten gegenüber den Verfügungen, die ein Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag hinterlässt, zu schützen. Diese gesetzliche Vorgabe hat zu Folge, dass im Falle einer Pflichtteilsverletzung in der letztwilligen Verfügung, diese teilweise oder vollumfänglich als ungültig erklärt werden kann. Daher ist es wichtig, bei der Nachlassplanung den Pflichtteil zu berücksichtigen und den Pflichtteilschutz zu wahren.
Wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?
Anspruch auf einen Pflichtteil haben all jene Erben, die zu den sogenannten Pflichtteilberechtigen gehören. In der Schweiz können zu diesen Pflichterben nahe Angehörige (gesetzliche Erben des 1. Parentel), d.h. Nachkommen wie Kinder, Enkel und Urenkel, Ehepartner bzw. eingetragene Partner sowie die Elternteile gehören. Letztere sind jedoch nur pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser keine Kinder hat. Diese Pflichterben haben dabei jedoch nicht alle Ansprüche in der selben Höhe.
Wann macht das Pflichtteil berechnen Sinn?
Die Berechnung des Pflichtteils ist in zweierlei Hinsichten sinnvoll. Einerseits, bevor der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen erstellt und andererseits, wenn der Erbfall abgewickelt wird. Beim Pflichtteil berechnen vor dem Aufsetzen eines Testaments beispielsweise, benötigt der Erblasser die Höhe der Ansprüche, um zu wissen, über welchen Nachlass er frei verfügen kann. Die Erbfolge des frei verfügbaren Vermögens kann er anschliessend in seiner Verfügung festlegen. Nach dem Tod des Erblassers ist die Pflichtteilberechnung insbesondere für die Hinterbliebenen relevant, um zu überprüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und alle Erben ihren tatsächlichen Anspruch erhalten haben.
Einfluss des Nachlasswertes auf das Pflichtteil berechnen
Die Höhe des Vermögens bzw. der Wert des Nachlasses beeinflusst die Pflichtteilberechnung. Da der Pflichtteil als prozentueller Anteil des Erbes berechnet wird, richtet sich natürlich auch die Höhe des Pflichtteil nach dem Nachlasswert. Das bedeutet, dass das Erbe aus dem Pflichtteil geringer ausfällt, wenn das Vermögen, welches der Erblasser seinen Erben hinterlassen hat, keinen grossen Wert hat. Andererseits heisst das auch, das mit steigendem Nachlasswert, auch die Höhe des Erbvermögens ansteigt.
Pflichtteil berechnen – So funktioniert´s:
Wie bereits erwähnt, haben die pflichtteilsberechtigen Angehörigen nicht alle die selben Ansprüche. Darüber hinaus hat die Erbenkonstellation Auswirkungen auf die jeweilige Quote, die die Pflichtteilserben erhalten. Unter der Erbkonstellation wird dabei die Zusammensetzung der Erben im Erbfall sowie deren Anspruchsquoten verstanden. Diese Quoten sind ausschlaggebend für das Pflichtteil berechnen.
Als Grundlage für die Berechnung wird die gesetzliche Erbquote herangezogen. Diese beträgt je eine Hälfte für den angeheirateten oder eingetragenen Partner sowie die direkten Nachkommen.
Ausgangspunkt für die Berechnung des Pflichtteils ist das gesetzliche Erbe. Dieses würde vorsehen, dass eine Hälfte an den Ehepartner oder eingetragenen Partner geht und die sich die Nachkommen die andere Hälfte teilen. Der jeweilige Pflichtteil wird dann mit Hilfe des Anspruchs der einzelnen Person berechnet. Hat ein Ehepaar Kinder und der Ehegatte verstirbt, so beträgt das gesetzliche Erbe der Gattin ½. Die Pflichtteilsberechnung wird nun durchgeführt, indem der Anspruch, der in dem Fall wiederum ½ beträgt mit dem gesetzlichen Erbe multipliziert wird: Also ½ * ½. Dies würde einen Pflichtteil von ¼ des gesamten Nachlasswertes ergeben.
Pflichtteil des Ehegatten / eingetragenen Lebenspartners:
Ehegatten bzw. eingetragene Partner verfügen über einen Pflichtteilsanspruch des sogenannten 1. Parentel. Für die Berechnung des Pflichtteils ist dabei ausschlaggebend, ob Kinder des Verstorbenen vorhanden sind und die Eltern des Erblassers noch leben. In Abhängigkeit von diesen Faktoren beträgt der Pflichtteil für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner:
- 1/2 der Erbschaft, wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben
- 3/4 der Erbschaft; wenn sie mit Erben des elterlichen Stammes zu teilen haben
- die ganze Erbschaft, wenn weder Nachkommen noch Eltern vorhanden sind.
Pflichtteil berechnen für Kinder und Enkel
Die Kinder eines Erblassers haben ebenso wie der Ehepartner bzw. eingetragene Partner einen gesetzlich geschützten Erbanspruch des 1. Parentels. Das Gesetz sieht vor, das die Kinder zu gleichen Teilen erben und im Fall eines verstorbenen Kindes die Kinder den Erbanspruch erhalten. Verstirbt beispielsweise der Sohn eines Erblassers und hinterlässt eine Tochter, so erbt die Enkelin des Erblassers anstelle des Sohnes zu gleichen Teilen. Damit erhält die Enkelin die gleichen Vermögenswerte wie die noch lebenden Kinder des Erblassers. Je nach Gestaltung der Erbenkonstellation erhalten die direkten Nachkommen des Erblassers zwischen ¾ und ⅜ des gesamten Nachlasses.
Berechnung für Geschwister
Grundsätzlich haben Geschwister keinen Anspruch auf einen Pflichtteil. Hat der Erblasser jedoch weder direkte Nachkommen, noch einen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner, rücken dessen Geschwister aufgrund ihrer Zuordnung zum 2. Parentel der gesetzlichen Erbfolge auf. In Folge dessen fällt Ihnen dann ein Pflichtteilsanspruch zu. Der jeweilige Anteil beträgt dann, je nachdem, ob noch ein Elternteil des Erblassers am Leben ist oder nicht, zwischen einem Viertel und einem Achtel des Nachlasses.
Wenn eine Lebenspartnerschaft (Liebesbeziehung) nicht eingetragen oder durch eine Heirat beurkundet ist, hat der Partner des Erblassers in der Schweiz keinen Anspruch auf einen Pflichtteil. Die Berücksichtigung des Lebensgefährten im Testament (freie Quote) kann dennoch erfolgen.
Beispiel: Berechnung des Pflichtteils bei 3 Kindern
Um das Pflichtteil berechnen zu veranschaulichen haben wir ein weiteres Beispiel für Sie: Ein Erblasser hinterlässt drei Kinder. Die Berechnung des Pflichtteils bei drei Kindern erfolgt dann je nachdem, ob der Lebenspartner noch lebt, oder bereits verstorben ist. Die gesetzliche Erbquote beträgt auch hier wieder ½ für den Lebenspartner und ½ für die Nachkommen. Lebt der Ehe- oder eingetragene Partner noch, so erhält er von dieser Quote erneut ½ als Pflichtteil: 1/2*1/2 ergibt schliesslich ¼ des gesamten Nachlasswertes. Bei drei Kindern erhalten die Kinder insgesamt jedes Kind 1/2*3/4, da sie aber zu dritt sind, wird dieser Anteil durch drei dividiert und ergibt schliesslich einen Pflichtteil je Kind von 1/8 des gesamtes Erbes. Besteht ein Nachlasswert von 400.000 Euro, so steht dem Partner ein Pflichtteil von 100.000 Euro zu, den Kindern jeweils ein Pflichtteil von 50.000 Euro.
Ist der Lebenspartner ebenfalls bereits verstorben, würden die Kinder nach der gesetzlichen Erbqoute das gesamte Vermögen erhalten. Da der Pflichtteilsanspruch ¾ beträgt und sich dieser wieder auf drei Kinder verteilt, erhält jeder direkte Nachkomme ¼ des gesamten Nachlasses (1* ¾ * 1/3). Bei der Berechnung des Pflichtteils bei 3 Kindern und einem Nachlasswert von 400.000 haben diese Anspruch auf einen Pflichtteil von je 100.000 Euro.
Pflichtteilsberechnung bei Schenkung zu Lebzeiten
Wenn ein Pflichtteilsberechtigter bereits zu Lebzeiten eine Schenkung erhielt, so hat dies Auswirkungen auf das Pflichtteil berechnen. Der beschenkte Pflichterbe hat nach dem Tod des Erblassers eine sogenannte Ausgleichungspflicht gegenüber den anderen Pflichtteilsberechtigten. Diese hat zur Folge, dass sich der zu Lebzeiten beschenkte Nachkomme das Geschenk später an sein Erbe anrechnen lassen muss. Ausgenommen von der Ausgleichspflicht sind kleinere Gelegenheitsgeschenke.
Dem ausgleichungspflichtigen Pflichterben steht dabei frei zur Wahl, ob er die Ausgleichung in dinglicher Form oder durch Anrechnung des Wertes vornehmen wollen. Der Ausgleichungswert entspricht dabei in der Regel dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbganges, dem Verkaufserlös bei vorheriger Veräusserung (ausser der Verkaufspreis war verhältnismässig zu tief – dann ist der Preis ausschlaggebend, der eigentlich hätte erzielt werden können), bzw. die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erbganges bei einer gemischten Schenkung. Ziel einer solchen Ausgleichung ist es, die ausgleichungspflichtige Schenkung der Erbmasse hinzugerechnet und dem Ausgleichungspflichtigen als Erbteil anzurechnen.
Damit soll die Gleichbehandlung der gesetzlichen Erben sichergestellt werden. Im Falle, dass ein Erblasser einen Erben zu Lebzeiten mehr (unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche) Zuwendungen zukommen hat lassen, so können diese mit einer Ausgleichungsklage dem Nachlass zugerechnet werden. Ziel dieser Klage ist es, dass die ausgleichungspflichtige Zuwendung der Erbmasse hinzugerechnet und dem Ausgleichungsschuldner als Erbteil angerechnet wird.
Erbvorbezug und Pflichtteil
Wenn ein Erbvorbezug stattgefunden hat, so besteht kein Anspruch bzw. Recht auf einen Pflichtteil. Grundsätzlich ist es auch nicht möglich, den künftigen Erblasser zu einem Erbvorbezug zu Lebzeiten zu zwingen. Das bedeutet, dass auch keine Pflichtteilsansprüche zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden können. Wenn der spätere Erblasser diesen jedoch gewährt, sollte dabei den Pflichtteil anderer künftiger Erben geachtet werden. Tut der Erblasser dies nicht, kann es durch den Erbvorbezug im Erbgang erhebliches Konfliktpotenzial geben.
Da der Pflichtteil bei einem Erbvorbezug wegfällt, können so auch nicht die Pflichtteile anderer, unliebsamer Pflichterben vermindert werden. Auch, wenn ein Nachkomme vom Erblasser von der Erbvorbezug Ausgleichspflicht befreit wird, sind alle Pflichtteile zu berücksichtigen. Sollte ein Erbteil eines gesetzlichen Erben wegen eines Erbvorbezugs unter dem Pflichtanteil liegen, besteht in jedem Fall eine Ausgleichspflicht.
Ergänzungsanspruch:
Wie bereits erwähnt, müssen Schenkungen und Erbvorbezüge bei den Pflichtteilsansprüchen berücksichtigt werden. Erhält ein Pflichtteilserbe eine Schenkung zu Lebzeiten oder einen Erbvorbezug, muss dieser angerechnet bzw. ausgeglichen werden. Demnach besteht für die erhaltenen Zuwendungen zu Lebzeiten eine Ausgleichspflicht. Je nach Höhe des Vorbezugs bzw. der Schenkung vermindert sich der Anspruch oder der Pflichtteil fällt gänzlich weg.
So kann ein Anwalt helfen
Wenn es um die Abwicklung des Erbes geht, kann der Erblasser nicht vollkommen frei entscheiden, wie diese erfolgt. Genau genommen muss er sich dabei an die gesetzlichen Vorgaben und demnach insbesondere den Pflichtteil, der den engsten Angehörigen zusteht, halten. Für Laien kann es nicht nur schwierig sein, die Regelungen zum Pflichtteil selbst und damit die Grundlagen zum Pflichtteil berechnen zu verstehen. Ein Anwalt für Pflichtteil kann Sie dabei unterstützen, die Pflichtteilsberechnung aller Anspruchsberechtigten durchzuführen.
Er weiss, wem welcher Anteil zusteht und auch wer keine Ansprüche auf einen Pflichtteil hat. Zudem hat er Erfahrung mit verschiedensten Erbkonstellationen und Umständen, wie Schenkungen zu Lebzeiten oder Erbvorbezügen. Egal ob Erblasser selbst, der seinen Nachlass planen möchte oder Erbe, der sich vergewissern will, welcher Anteil ihm zusteht – Ein kompetenter Rechtsanwalt kann Sie beim Pflichtteil berechnen unterstützen und beraten.
FAQ: Pflichtteil berechnen
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