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Ausgleichungsklage § Verfahrensablauf & mehr

Wenn eine Person verstirbt, hinterlässt sie in der Regel den Erben ihr Hab und Gut. Je nachdem, ob sie ihren letzten Willen zuvor in einem Testament festgehalten hat, eine Erbschaftsvertrag oder Ehevertrag abgeschlossen wurde oder keine dieser Möglichkeiten aufgegriffen wurde, erhalten die Erben unterschiedliche Anteile des Vermögens. Dabei gibt es allerdings gesetzliche Regelungen zu beachten, die insbesondere die Pflichtteile der familiär nahestehenden Personen betreffen und grundsätzlich nicht umgangen werden können. Hat ein Erbe bereits zu Lebzeiten eine erhebliche Zuwendung durch den Erblasser erhalten, kann dieser bei der Erbschaft berücksichtigt werden, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Dabei kann die Ausgleichungsklage zum Einsatz kommen. Was genau eine Ausgleichungsklage ist und wie sie funktioniert, erfahren Sie in Beitrag.

Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze

Rechtslage der Ausgleichsklage

Die gesetzlichen Vorschriften zur Ausgleichungsklage, die es in den Gebieten der Schweiz zu beachten gibt sind grundsätzlich in den Texten des Zivilgesetzbuches (ZGB) zu finden. Auf die Ausgleichungsklage im Speziellen bezieht sich insbesondere Art. 626 ff. des ZGB

Generelle Regelungen zur Erbschaft, zu Erbschaftsklagen oder Klagen im Allgemeinen sind auch in anderen Passagen des ZGB sowie den Entscheiden des Bundesgerichts (BGE) zu finden. So zum Beispiel die Regelungen zu Schenkungen (BGE 76 II 188). Auch Paragraphen des Nationalrats (N) können die Ausgleichungsklage betreffen, beispielsweise wenn es um den Gleichbehandlungsgrundsatz (N 46 ff. zu § 16) geht.

Allgemeines zur Ausgleichungsklage

Im Erbrecht der Schweiz gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Erben. Das bedeutet, dass (teilweise) unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers an Erben zu Lebzeiten unter Umständen dem Nachlass zugerechnet werden müssen. Unter dieser Anrechnung versteht man eine erbrechtliche Ausgleichung. Hat ein Erblasser einen Erben zu Lebzeiten mehr (unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche) Zuwendungen zukommen lassen, so können diese mit einer Ausgleichungsklage dem Nachlass zugerechnet werden. Wollen die Erben eine solche Klage erheben, müssen sie die unentgeltlichen Zuwendungen jedoch auch beweisen können.

Ziele der Ausgleichungsklage

Ziel der Ausgleichungsklage ist es, dass die die ausgleichungspflichtige Zuwendung der Erbmasse hinzugerechnet und dem Ausgleichungsschuldner als Erbteil angerechnet wird, um eine Gleichbehandlung der gesetzlichen Erben sicherzustellen. Dabei ist die Pflicht zur Ausgleichung davon abhängig, ob es sich um gesetzliche Erben, Nachkommen oder eingesetzte Erben handelt. Auch gemischte Schenkungen können der Ausgleichung unterliegen. Fällt der ausgleichungspflichtige Erbe weg, „erbt“ dessen Miterbe oder Nachkomme die Pflicht zur Ausgleichung. Wenn der Ausgleichungsklage stattgegeben und eine Ausgleichung zu erfolgen hat, kann diese entweder als Realausgleichung oder als Idealausgleichung umgesetzt werden. Dabei hängt der Wert davon ab, ob der Gegenstand bereits veräussert wurde, oder nicht. Zur Durchsetzung der Ausgleichung kommt entweder ein vereinfachtes Verfahren oder ein ordentliches Verfahren zum Einsatz.

Wen kann eine Ausgleichungsklage betreffen?

Grundsätzlich können alle Erben von einer Ausgleichungsklage betroffen sein. Sie kann also sowohl die gesetzlichen Erben treffen, aber auch Nachkommen und Eingesetzte Erben. Letztere beiden kann jedoch nur die Ausgleichung selbst betreffen, denn sie verfügen nicht über das Recht, eine Ausgleichungsklage zu erheben.

Gesetzliche Erben:

Das ZGB sieht vor, dass die gesetzlichen Erben gegenseitig dazu verpflichtet sind, alles zur Ausgleichung zu bringen, was ihnen der Erblasser bei Lebzeiten auf Anrechnung an ihren Erbanteil zugewendet hat. Das sind sämtliche Intestaterben, also sowohl die Nachkommen als auch der überlebende Ehegatte, bzw. eingetragener Partner. Da jedoch die gesetzliche Vermutung gilt, dass die zu Lebzeiten gemachten Zuwendungen nicht der Pflicht zur Ausgleichung unterliegen, muss die Ausgleichung ausdrücklich angeordnet werden. Dies gilt auch bei üblichen Gelegenheitsgeschenken (Art. 632 ZGB). Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, die Pflicht zur Ausgleichung anzuordnen.

Nachkommen:

Jene Erbsachen, die der Erblasser seinen Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung, Schulderlass u.a. zugewendet hat, unterliegt der Ausgleichungspflicht, ausser der Erblasser hat ausdrücklich das Gegenteil bestimmt. Im Unterschied zu Art. 626 Abs. 1 des ZGB unterliegen lediglich die Nachkommen der Ausgleichungspflicht bei diesen lebzeitigen Zuwendungen. Überlebende Ehegatten sowie eingetragene Partner gelten demnach nicht als Nachkommen. Gemäss Bundesgericht unterliegen sie daher in diesem Kontext auch nicht der Ausgleichungspflicht. Das Recht eine Ausgleichung durch die Nachkommen zu verlangen steht ihnen aber dennoch zu (BGE 77 II 228). Generell ist sich die Lehre allerdings nicht einig, wie überlebende Ehegatten zu stellen sind. So gehen einzelne Meinungen davon aus, dass er weder ausgleichungspflichtig ist, noch das Recht auf eine Ausgleichung hat.

Eingesetzte Erben:

Eingesetzte Erben unterliegen nur dann der Ausgleichungspflicht, wenn dies vom Erblasser angeordnet wurde. Ansonsten sind sie davon nicht betroffen und die Ausgleichung wird nur auf die gesetzlichen Erben angewendet. Wenn ein Erblasser jedoch den gesetzlichen Erbanteil durch eine Verfügung von Todes wegen beeinflusst bzw. verändert, werden die gesetzlichen Erben aus systematischer Sicht des Erbrechts zu eingesetzten Erben. Damit unterliegen die Erben grundsätzlich nicht der Ausgleichungspflicht, ausser es handelt sich dabei wiederum um Nachkommen des Erblassers. Diese sind ebenfalls von der Ausgleichung betroffen, ausser der Erblasser hat die gesetzlichen Erben nicht im Verhältnis ihrer gesetzliche Erbteile eingesetzt und sie damit quasi von der Ausgleichungspflicht befreit (BGE 124 III 102 ff.).

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Aktiv- und Passivlegitimation

Jeder gesetzliche Erbe, der am Nachlass beteiligt ist, ist selbständig klageberechtigt. Dazu gehören auch überlebenden Ehegatten. Die eingesetzten gesetzlichen Erben sind ebenfalls aktivlegitimiert, wenn testamentarisch die gesetzliche Erbfolge eingehalten wurde. Ist dies nicht der Fall, sind sie lediglich zur Herabsetzungsklage legitimiert. Eingesetzte nicht-gesetzliche Erben sind generell nicht aktivlegitimiert. Passivlegitimiert sind sowohl der Erbe, der die lebzeitige Zuwendung erhalten hat, als auch dessen erbrechtlicher Nachfolger. Dies gilt auch in den Fällen dann, in denen der Nachfolger die Leistung nie erhalten hat (Art. 627 ZGB). Der überlebende Ehegatte kann je nach Fall und Umständen passivlegitimiert sein. Eingesetzte nicht-gesetzliche Erben sind nicht passivlegitimiert. (BGE 124 III 102)

Berechnung der Ausgleichung im Zuge der Klage

Den ausgleichungspflichtigen Erben steht frei zur Wahl, ob sie die Ausgleichung in dinglicher Form oder durch Anrechnung des Wertes vornehmen wollen (Art. 628 Abs. 1 ZGB). Dieses Wahlrecht haben allerdings nur Pflichterben, Miterben steht es nicht zu (BGE 118 II 264). Der Ausgleichungswert (Art. 630 ZGB) entspricht dabei dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbganges, dem Verkaufserlös bei vorheriger Veräusserung (ausser der Verkaufspreis war verhältnismässig zu tief – dann ist der Preis ausschlaggebend, der eigentlich hätte erzielt werden können), bzw. die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erbganges bei einer gemischten Schenkung (BGE 120 II 417 ff.).

Besitzer bei Schaden nicht ersatzpflichtig

Werden die Erbsachen verwendet, die Früchte bezogen oder ein Schaden verursacht, so kann der gutgläubige Besitzer bei Real Ausgleichung Ersatz der notwendigen und nützlichen Verwendungen verlangen (Art. 939 ZGB), keinen Ersatz für die Früchte entrichten (Art. 938 ZGB) und ist bei Schaden oder Untergang der Sache nicht ersatzpflichtig.

Bewertung durch den Erblasser

Der Erblasser hat die Möglichkeit, abweichende Anordnungen vorzusehen, zu welchem Wert die zugewendeten Vermögenswerte zu bewerten sind (Art. 628 Abs. 2 ZGB). So kann er beispielsweise vorsehen, dass das zugewendete Haus zum Verkehrswert des Zuwendungs Zeitpunktes auszugleichen ist, selbst wenn es an Wert gewinnt. Damit will der Erblasser den Erben begünstigen was zur Folge hat, dass diese nicht auszugleichen ist, wenn sie den Erbanteil übersteigt. Achtung: Da es sich im Umfang der Differenz zwischen dem Verkehrswert und Ausgleichung Wert um ein Quotenvermächtnis handelt, sind Herabsetzung Ansprüche der Miterben jedoch vorbehalten.

Verfahrensablauf der Ausgleichungsklage

Wie bei einigen anderen erbrechtlichen Klagen auch, befindet sich der zuständige Gerichtsstand Grund am letzten Wohnsitz des Erblassers (Art. 28 Abs. 1 ZPO). Im Gegensatz zu anderen Klagen, gelten es für die Ausgleichungsklage jedoch keine Verjährungs- bzw. Verwirkungsfristen. Kommt es trotz Teilung zu keiner Geltendmachung der Ausgleichung, so wird darin ein endgültiger Verzicht auf den Anspruch gesehen. Verfahrenstechnisch kommt das vereinfachte Verfahren oder das ordentliche Verfahren zur Anwendung. Das summarische Verfahren auf Rechtsschutz in klaren Fällen kann aufgrund der unklaren Rechtslage sowie Sachverhalt nicht eingesetzt werden

Streitwert des Verfahrens

Beim Streitwert ist entscheidend, ob eine Feststellungsklage oder eine Leistungsklage erhoben wird. Im Fall einer Feststellungsklage berechnet sich der Streitwert in Form einer Multiplikation zwischen der Erbquote der klagenden Erben und dem Wert der ausgleichungspflichtigen Zuwendung (Idealausgleichung, da keine spezifizierbare Sache). Wird eine Leistungsklage eingereicht, so entspricht der Streitwert dem Wert der auszugleichenden lebzeitigen Zuwendung (Realausgleichung oder Idealausgleichung da spezifizierbarer Sache vorhanden).

Kosten der Ausgleichungsklage

Die Kosten für einer Ausgleichungsklage setzen sich aus den Gerichtsgebühren und den Anwaltskosten, der sog. Parteientschädigung, zusammen. In der Regel sind diese je Kanton geregelt. Für die Höhe der anfallenden Kosten und Gebühren ist auch der Aufwand und Streitwert des Falls ausschlaggebend. In den meisten Kantonen können die Gebühren und Anwaltskosten auf den Webseiten der Gerichte kalkuliert, berechnet und abgeschätzt werden. Um eine erste Abschätzung der finanziellen Belastung einer Ausgleichungsklage abschätzen zu können, ist eine frühzeitige Konsultation ratsam. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass der Nachlass die Kosten deckt bzw. dass das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag stimmig ist und eine Klage überhaupt Sinn macht.

So kann ein Anwalt bei einer Ausgleichungsklage helfen

Nach dem Tod eines nahestehender Menschen erleben die Hinterbliebenen meist eine schwierige und emotional sehr belastende Zeit. Gerade in dieser Phase fehlen die Nerven für weitere Belastungen rund um die Erbschaft. Daher kann es sinnvoll sein, einen kompetenten Fachanwalt zu Rate zu ziehen, der für Sie die Erbschaft prüft und auf eventuelle Ausgleichungsansprüche untersucht. Sollte ein Miterbe zu Lebzeiten des Erblassers eine wesentliche Zuwendung erhalten haben, so kann sie der Anwalt dabei unterstützen, eine Ausgleichung einzufordern und Ihren tatsächlichen Anspruch geltend zu machen.

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FAQ: Ausgleichungsklage

Unter einer gemischten Schenkung versteht man ein erhebliches Missverhältnis zwischen Wert der Zuwendung und der Gegenleistung, wobei z.B. ein Missverhältnis von 16,39% vom Bundesgericht noch als unerheblich eingestuft wurde. Zudem ist eine Voraussetzung, dass überhaupt Kenntnis über dieses Missverhältnisses vorliegt, wobei das Bundesgericht einen Nachweis der Zuwendungsabsicht des Erblassers verlangt (BGE 126 III 171).
Wenn ein Erblasser für die Ausbildung und Erziehung einzelner Kinder gewisse Zuwendungen getätigt hat, unterliegen diese nur dann der Ausgleichungspflicht, wenn sie über das übliche Mass hinaus gehen oder nachweislich angeordnet wurden (Art. 631 Abs. 1 ZGB).
Das Ziel einer Feststellungsklage (Art. 61 URG) ist grundsätzlich die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Anspruches (BGE 129 II 295) sowie die Feststellung der Widerrechtlichkeit eines Verhaltens (BGE 93 II 50). Bei einer Leistungsklage hingegen ersucht der Kläger das Gericht, den Beklagten zu einer bestimmten Handlung oder Unterlassung zu verpflichten (z.B. Verpflichtung zur Leistung einer Geldforderung oder einen Gegenstand herauszugeben).
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