Vernichtung des Testaments nach Art. 510 ZGB
Die letzte Form des Widerrufs ist die Vernichtung des Testaments. Nach Art. 510 ZGB gilt eine Verfügung als unwirksam, wenn sie durch den Testator vernichtet wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Urkunde durch physische Einwirkung vernichtet wird. Diese Vernichtung muss ein Ausdruck des Willens sein, das Testament nicht mehr gelten lassen zu wollen. Möglichkeiten, die einen Widerruf begründen, sind:
- Zerreissen
- Durchstreichen
- Vermerken, dass das gesamte Testament ungültig sein soll (+ Durchstreichen)
- Ausradieren
- Verbrennen
- Wegwerfen
Ein teilweiser Widerruf durch Vernichtung ist zum Beispiel dann denkbar, wenn nur bestimmte Passagen bzw. Seiten gestrichen werden. Art. 510 Abs. 2 ZGB bestimmt, dass eine zufällige Vernichtung zu einer anderen Rechtsfolge führt. Eine zufällige Vernichtung liegt beispielsweise vor, wenn das Testament bei einem Brand vernichtet wird. Hier wird der Inhalt des Testaments zwar unter Vorbehalt unwirksam, es können jedoch Schadensersatzansprüche erwachsen. Sollte der Inhalt der Verfügung weiterhin zweifelsfrei festgestellt werden können, bleibt das Testament wirksam. Wird nur ein Teil vollständig vernichtet, so bleibt der weiterhin zweifelsfrei bestimmbare Teil weiterhin wirksam.
Sollten Sie ein öffentliches Testament widerrufen wollen, dann müssen Sie das Original vernichten. Eine Abschrift oder Kopie zu vernichten, sorgt nicht für einen rechtswirksamen Widerruf. Ob die Vernichtung durch einen Dritten zulässig ist, sofern diese vom Testator gewollt bzw. beauftragt wurde, ist in der Rechtspraxis strittig. Es ist mithin ratsam, die Verfügung selbst zu vernichten und nicht vernichten zu lassen. Die Vernichtung des Testaments nach Art. 510 ZGB ist die sicherste Form des Widerrufs. Der Inhalt der alten letztwilligen Verfügung kann im besten Fall gar nicht mehr rekonstruiert werden. Es ist wichtig, dass bei der Vernichtung möglichst alle Urkunden, Kopien und digitalen Abschriften vernichtet werden. Das garantiert die grösste Sicherheit, dass am Widerruf kein Zweifel besteht.
Rechtsfolgen des Widerrufs
Wird ein Testament korrekt widerrufen, so werden dessen Bestimmungen unwirksam. Im Erbfall gelten die ursprünglichen Regelungen nicht mehr. Es kommt nun also darauf an, ob nach dem Widerruf eine neue Verfügung errichtet wurde oder nicht. Sollte keine anderweitige Verfügung erfolgt sein, so gilt in der Regel das Schweizer Erbrecht bzw. die gesetzliche Erbfolge. Sollte das Testament durch eine neue Verfügung widerrufen worden sein, so gilt selbstverständlich diese ablösende Erklärung. Der Testator kann nach dem Widerrufen jederzeit ein neues Testament errichten oder einen Erbvertrag schliessen. Die neuen Inhalte sind dann wirksam und treten an die Stelle der gesetzlichen Erbfolge. Die Rechtslage gestaltet sich derart, als hätte es das widerrufene Testament nie gegeben.