Es herrscht ein weitverbreiteter Irrglaube, dass ein Testament ausschliesslich schriftlich verfasst werden kann. Tatsächlich ist es so, dass eine schriftliche Verfügung von Todes wegen die Regel ist und in den meisten Fällen auch keine Möglichkeit zur mündlichen Erklärung gegeben ist. Das Schweizer Recht kennt jedoch eine Form des Testaments, bei der der Erblasser seinen letzten Willen mündlich erklären kann. Ein mündliches Testament ist wirksam und rechtsverbindlich und nicht weniger erheblich, als eine schriftliche Verfügung. In der Praxis wird das mündliche Testament auch häufig “Nottestament” genannt. Das hat den Grund, dass das mündliche Erklären des letzten Willens nur in bestimmten Situationen erlaubt und zulässig ist.
Das mündliche Testament findet Erwähnung im Zivilgesetzbuch und ist damit eine ordentliche Form der Testamentserrichtung. Die Bestimmungen finden sich in Art. 506 ff. ZGB. Dort wird festgelegt, wann eine mündliche Verfügung zulässig ist, wie sie zu erfolgen hat und wie lange sie Gültigkeit besitzt. In der Praxis ist das Nottestament vergleichsweise selten. Damit es nach Art. 506 ZGB wirksam werden kann, müssen die Voraussetzungen vorliegen und der Ablauf eingehalten werden. Dazu gleich mehr!
Neben dem mündlichen Testament gibt es zwei weitere Arten von Testamenten. Man unterscheidet hier zwischen dem eigenhändigen Testament und dem öffentlichen Testament. Diese Verfügungsformen sind weiter verbreitet und unterliegen teilweise anderen Formvorschriften bzw. Gültigkeitsvoraussetzungen. So muss das eigenhändige Testament beispielsweise vollständig handschriftlich verfasst sein. Das öffentliche Testament hingegen muss durch eine Urkundsperson (meist Notar) unter Anwesenheit von zwei Zeugen beurkundet werden. Die Rechtsgrundlagen für diese Verfügungsformen finden Sie hier:
Vor dem Gesetz ist es gleichgültig, in welcher Form eine letztwillige Verfügung abgegeben wurde. Nach Art. 498 ZGB kann der Testator frei entscheiden, wie er verfügen möchte. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.
Da das mündliche Testament in der Praxis nur in Ausnahmefällen zulässig sein soll, sind die gesetzlichen Voraussetzungen hoch. Ein Nottestament kann also nur unter bestimmten Umständen errichtet werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist die Verfügung unwirksam und entfaltet keine rechtliche Wirkung. Nach der herrschender Lehre gibt es zwei Grundvoraussetzungen, die vorliegen müssen, wenn ein Nottestament errichtet werden soll:
Art. 506 Abs. 1 ZGB sagt, dass ein mündliches Testament nur in Frage kommt, wenn dem Testator keine andere Möglichkeit der letztwilligen Verfügung bleibt. Diese Unmöglichkeit muss durch das Vorliegen von ausserordentlichen Umständen begründet sein. Anschliessend werden Beispiele genannt, wann solche ausserordentliche Umstände anzunehmen sind. Das Gesetz nennt explizit:
Diese Auflistung ist zwar nicht abschliessend, deckt jedoch die meisten einschlägigen Fallkonstellationen ab. Ein Nottestament ist beispielsweise dann möglich, wenn Sie schwer krank sind, nicht mehr aufstehen können und nicht mehr in der Lage sind zu schreiben. Ein mündliches Testament zu errichten, nur weil Sie keine Lust haben, ein eigenhändiges Testament zu verfassen, ist damit nicht möglich.
Weiterhin gilt, dass Sie urteilsfähig bzw. verfügungsfähig sein müssen. Das ist eine Grundvoraussetzung, die der Erblasser immer erfüllen muss, wenn eine letztwillige Verfügung wirksam erfolgen soll. Die Verfügungsfähigkeit ist im erbrechtlichen Kontext in Art. 467 ZGB geregelt und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
Urteilsfähig ist eine Person dann, wenn sie die Fähigkeit besitzt, vernunftgemäss zu handeln. Dabei kommt es auf die Verstandeskomponente und die Willenskomponente an. Der Erblasser muss in der Lage sein die Bedeutung und Tragweite seiner Rechtshandlungen zu erkennen und entsprechend dem selbst gebildeten Willen zu handeln. Entscheidend ist, dass der Testator zum Zeitpunkt der mündlichen Erklärung urteilsfähig gewesen ist. Sollten Zweifel an der Verfügungsfähigkeit bestehen, ist es ratsam, einen Notar kommen zu lassen.
Damit das mündliche Testament wirksam wird, muss der gesetzlich vorgeschriebene Ablauf eingehalten werden. Dieser ist in Art. 506 und Art. 507 ZGB beschrieben. In der Rechtspraxis haben sich zwei Varianten etabliert, die jeweils als zulässig angesehen werden. Was geschieht, wenn dieser Ablauf nicht ordnungsgemäss eingehalten wird, ist strittig. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass das mündliche Testament von Amtes wegen unwirksam wird. Deshalb ist es besonders wichtig, sorgsam auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu achten:
In beiden Varianten ist der letzte Wille gegenüber zwei Zeugen zu erklären. Diese müssen vom Testator beauftragt worden sein, der Verfügung die notwendige Beurkundung zu verschaffen. Ausserdem kann nicht jedermann Zeuge im Sinne des Art. 506 ZGB sein. Es gelten nach Art. 506 Abs. 3 ZGB die gleichen Anforderungen wie bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments. Das bedeutet, dass die Zeugen folgende Eigenschaften erfüllen müssen:
So soll verhindert werden, dass die Zeugen in Versuchung kommen, den letzten Willen unrichtig zu übermitteln.
Anschliessend muss einer der Zeugen den Inhalt der Verfügung niederschreiben und datieren. Diese Niederschrift muss von beiden Zeugen unterschrieben werden. Gleichzeitig müssen die Zeugen auf der entstandenen Urkunde erklären, dass der Erblasser verfügungsfähig war und ausserordentliche Umstände vorgelegen haben, die ein mündliches Testament zulässig machen. Die Urkunde muss unverzüglich bei der zuständigen Gerichtsbehörde eingereicht werden. Alternativ können die Zeugen den letzten Willen des Testators bei der Gerichtsbehörde mündlich zu Protokoll geben. Dort müssen sie ebenfalls erklären, dass der Testator verfügungsfähig war und der ausserordentliche Umstand eine andere Form der Testamentserrichtung unmöglich gemacht hat. Zuständig ist stets das nächste Gericht – im Kanton Zürich wäre das beispielsweise das Bezirksgericht.
Das mündliche Testament ist die einzige Art von Testament, die nicht uneingeschränkt lange gültig ist. Das öffentliche und eigenhändige Testament ist von der Errichtung bis zum Tod gültig, sofern Sie es nicht widerrufen. Bei dem Nottestament ist das anders, denn hier greift der Art. 508 ZGB. Dieser legt fest, dass eine mündliche Nachlassverfügung nur für 14 Tage gültig ist, wenn sich nachträglich die Möglichkeit ergibt, dass der Testator eine andere Testamentsform errichtet. Ist der ausserordentliche Umstand, der das mündliche Testament erlaubt hat, dauerhaft und nicht aufgehoben, behält das Testament seine Wirksamkeit.
Die 14-Tage-Gültigkeitsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erblasser die Möglichkeit hat, ein eigenhändiges oder öffentliches Testament zu verfassen. Wenn Sie beispielsweise auf Grund von konkreter Todesgefahr ein Nottestament verfasst haben, die Todesgefahr nach 2 Tagen jedoch gebannt ist, haben Sie 14 Tage, um sich um eine neue Verfügung zu kümmern. Verstreicht die 14-Tage-Frist und der Erblasser bleibt untätig, so tritt die Erbfolge derart ein, als hätte es das mündliche Testament nicht gegeben. In der Regel gilt ab dann wieder die gesetzliche Erbfolge.
Auch wenn das Erbrecht die Möglichkeit eines Nottestamtens vorsieht, ist es ratsam, sich rechtzeitig mit der Nachlassplanung zu befassen. Ein eigenhändiges Testament bzw. ein öffentliches Testament hat eine (tendenziell) höhere Beweiskraft und kann ausführlicher geplant, gestaltet und überdacht werden. Ist Ihre letztwillige Verfügung einmal errichtet, so müssen Sie Ihren letzten Willen nicht erneut erklären und können beruhigt davon ausgehen, dass Ihr Nachlass so verteilt wird, wie Sie es sich wünschen.
Um das Erbe optimal zu planen, lohnt es sich von einem Anwalt für Erbrecht beraten zu lassen. So können Sie die passende Verfügungsform (Testament oder Erbvertrag) auswählen und rechtssichere Inhalte verfügen. Bei einem Nottestament ist häufig Eile geboten, Sie haben andere Dinge im Kopf und es fehlt die Zeit, sich in Ruhe mit dem Inhalt der Verfügung auseinanderzusetzen.
Es steht dem Testator frei jederzeit das eigene Testament zu widerrufen oder zu ändern. Dementsprechend kann auch ein mündliches Testament nachträglich geändert oder widerrufen werden. Es gelten nach Art. 509 ff. ZGB die gleichen Vorschriften, die auch für die Errichtung des ursprünglichen Testaments Gültigkeit besessen haben. Das bedeutet: Wenn Sie ein Nottestament ändern möchten, dann muss die Änderungen ebenfalls gegenüber zwei Zeugen erklärt werden und anschliessend bei der Gerichtsbehörde eingereicht werden.
Der Widerruf geschieht auf gleichem Wege. Eine Ungültigkeit durch Vernichtung nach Art. 510 ZGB ist nicht möglich, da der Erblasser das Testament nicht in den Händen hält. Ein Widerruf des mündlichen Testaments kann entweder vollständig oder teilweise erfolgen – das regelt Art. 509 Abs. 2 ZGB. Sollte nach der Errichtung des ersten Nottestaments eine weitere letztwillige Verfügung erfolgen, verliert das ursprüngliche Testament nach Art. 511 Abs.1 ZGB an Wirksamkeit. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn es sich offensichtlich um eine Ergänzung handelt.
Es ist ratsam den Nachlass rechtzeitig zu planen, um im Voraus zu verhindern, dass man überhaupt ein mündliches Testament errichten muss. Bei der Nachlassplanung unterstützt Sie ein Anwalt für Erbrecht. Der Anwalt / die Anwältin zeigt Ihnen Ihre rechtlichen Möglichkeiten auf und unterstützt Sie beim Verfassen einer letztwilligen Verfügung – in Form eines Testaments oder eines Erbvertrags. Ausserdem werden Sie bezüglich der Erbteilungsmöglichkeiten beraten und können gemeinsam die “freie Quote” ermitteln. Eine Zusammenarbeit mit einem Anwalt für ein Testament stellt sicher, dass Ihr Testament rechtskonform und uneingeschränkt wirksam ist.
Ein mündliches Testament ist zwar rechtsverbindlich, kann jedoch im Zweifel durch die Erben leichter angegriffen werden. Auch hier steht Ihnen Ihr Erbrechtsanwalt zur Seite. Besonders als Testator, Zeuge und Erbe kann sich die Konsolidierung eines Anwalts lohnen, um Klarheit über die Rechtslage zu erlangen und anschliessend etwaige Ansprüche durchzusetzen. Ein mündliches Testament kann beispielsweise angefochten werden, wenn es widerrechtlich zustande gekommen ist oder der Inhalt der Verfügung gegen geltendes Recht verstösst.
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