Urteilsfähigkeit
Die Urteilsfähigkeit ist meist der problematische Punkt. Nur wer urteilsfähig ist, ist testierfähig und kann dementsprechend eine letztwillige Verfügung abgeben. Was genau Urteilsfähigkeit bedeutet, steht ebenso im Gesetz. Werfen Sie einen Blick auf Art. 16 ZGB:
„Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäß zu handeln“.
Diese negative Formulierung lässt Fragen offen. Die Rechtsprechung hat entschieden, dass sich die Urteilsfähigkeit wiederum aus zwei Aspekten zusammensetzt:
- Die Fähigkeit, einen Willen zu bilden. Dies setzt voraus, dass die Person grundsätzlich sein Vermögen kennt und um die Möglichkeit weiß, dass dieses an die Erben übergehen kann / soll.
- Die Fähigkeit, den Willen umzusetzen. Der Erblasser muss den gefassten Willen auch umsetzen können. Dies geschieht entweder durch eine wörtliche Äußerung oder das Niederschreiben des Testaments.
Gründe für eine eingeschränkte Testierfähigkeit
Wie in Artikel 16 ZGB aufgelistet, gibt es Gründe, die dafür sorgen, dass eine Person nicht urteilsfähig und damit auch nicht testierfähig ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Wille nicht frei gebildet und/oder nicht frei geäußert werden kann. Ist eine Person beispielsweise geistig behindert oder von psychischer Störung betroffen, die eine vernünftige Entscheidung unmöglich machen, kann das dazu führen, dass das Testament angefochten werden kann. Besonders häufig gibt es in diesem Zusammenhang Probleme, wenn eine Person (der Erblasser) unter Demenz leidet. Diese Art von Störung der Wahrnehmung und Erinnerung führt meist zu Testierunfähigkeit. Hier muss ein Gericht oder Gutachten im Einzelfall entscheiden.
Besonders problematisch wird es dann, wenn dritte Personen Einfluss auf den Willen des Erblassers genommen haben. In diesen Fällen muss im Einzelfall entschieden werden, ob diese Beeinflussung die Urteilsfähigkeit des Erblassers beeinträchtigt hat. Hat dieser beispielsweise die Äußerungen des Dritten kritisch hinterfragt und anschließend selbst abgewogen, so schränkt die Beeinflussung die Urteilsfähigkeit nicht ein. Übernimmt der Erblasser hingegen unreflektiert und aus Unwissenheit die Meinung / den Willen der dritten Person, so kann die Urteilsfähigkeit durchaus eingeschränkt sein.
Testament wegen fehlender Testierfähigkeit anfechten:
Ist die Testierfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt vorhanden, so kann das Testament oder eine anderweitige letztwillige Verfügung angefochten werden. Dies gilt es im Voraus zu verhindern. Ist die Anfechtung des Testaments erfolgreich, so wird der gesamte Inhalt des Testaments für ungültig erklärt. Es stellt sich die Frage, wie die Erbfolge sich in einer solchen Konstellation gestaltet? Wird eine letztwillige Verfügung von Todes wegen angefochten und es gibt keine anderweitige Verfügung, so tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Das hat den Nachteil, dass diese in keinster Weise an den Willen des Erblassers angepasst ist. Unter anderem deshalb ist es so wichtig, das Testament rechtssicher zu verfassen und ggf. die Urteilsfähigkeit durch ein öffentliches Testament positiv bestätigen zu lassen. Im Zweifel muss andernfalls das Gericht oder ein Gutachten rückblickend über die Testierfähigkeit des Erblassers entscheiden.