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Öffentliches Testament – Für wen eignet es sich und wie wird es erstellt?

Dr. Lawrence Reiser im Interview

Das öffentliche Testament, auch bekannt unter dem Begriff der (öffentlichen) letztwilligen Verfügung, wird von einer Urkundsperson unter Mitwirkung zweier Zeugen errichtet. Welche Vor- und Nachteile ein öffentliches Testament aufweist und worauf bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments zu achten ist, führt Rechtsanwalt und Erbrechtsexperte Dr. Lawrence Reiser im folgenden Interview aus.

Dr. Lawrence Reiser studierte an der Universität St. Gallen (HSG) Rechtswissenschaften. Daneben arbeitete er mehrere Jahre als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Finanzwissenschaften und Finanzrecht an der HSG. Im Jahr 2019 erlangte er das Anwaltspatent im Kanton St. Gallen. Anfang des Jahres 2020 machte sich Dr. Lawrence Reiser als Rechtsanwalt und öffentlicher Notar in St. Gallen selbstständig. Erbrecht ist einer seiner Schwerpunkte. Seit Anfang des Jahres 2021 ist er zudem Partner in einer mittelgrossen Anwaltskanzlei im Herzen der Stadt St. Gallen. Er promovierte im Herbst 2021 an der HSG.

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Dr. Lawrence Reiser

Rechtsanwalt für Erbrecht

Was ist ein öffentliches Testament?

Im Gesetz wird das öffentliche Testament als die Testamentserrichtung vor einer Urkundsperson unter Mitwirkung zweier Zeugen bezeichnet. Im Gegensatz zu den anderen Testamentsformen erhält das öffentliche Testament seine gesetzliche Form mit der sogenannten öffentlichen Beurkundung. Dabei wird der Wille des Erblassers oder der Erblasserin durch eine Urkundsperson in einem speziellen Verfahren in Schriftform gebracht. Sowohl die Urkundsperson als auch die Zeugen dürfen an der Errichtung des öffentlichen Testaments sowie am Beurkundungsakt nur unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen mitwirken. Eine (persönliche) Voraussetzung ist zum Beispiel, dass die mitwirkenden Personen nicht mit dem Erblasser oder der Erblasserin in gerader Linie verwandt sind oder im Testament selbst bedacht werden.

Im Gesetz wird das öffentliche Testament als die Testamentserrichtung vor einer Urkundsperson unter Mitwirkung zweier Zeugen bezeichnet.

Wie werden die Zeugen dafür ausgesucht?

Grundsätzlich kann der Erblasser oder die Erblasserin selbst bestimmen, welche Zeugen bei der öffentlichen Beurkundung mitwirken sollen. Da die Zeugen den Erblasser oder die Erblasserin nicht zwingend persönlich kennen müssen und auch keine Kenntnis über den genauen Inhalt des Testaments haben müssen, kommt grundsätzlich jede Person in Frage, die die gesetzlichen Voraussetzungen zur Mitwirkung erfüllt. Die Aufgabe der Zeugen besteht im Wesentlichen darin, schriftlich zu bezeugen, dass der Erblasser oder die Erblasserin das Testament gelesen und bestätigt hat, dass der Inhalt dem persönlichen Willen entspricht. Sofern der Erblasser oder die Erblasserin einen bestimmten Wunsch betreffend die Auswahl der Zeugen hat, sollte dies der Urkundsperson mitgeteilt werden.

Welche Vorteile hat ein öffentliches Testament gegenüber anderen Testamentsformen?

Mit Blick auf seine Rechtswirkung ist das öffentliche Testament den anderen Testamentsformen gleichgesetzt. Ein eigenhändig abgefasstes, d.h. handschriftliches Testament ist in gleichem Masse gültig, wie ein öffentliches Testament. Trotzdem bietet das öffentliche Testament einige Vorteile, die in der Praxis nicht zu unterschätzen sind: Einerseits ist es Aufgabe der Urkundsperson vor der öffentlichen Beurkundung zu prüfen, dass der Wille des Erblassers oder der Erblasserin unmissverständlich wiedergegeben wird und die gesetzlichen Formvorschriften eingehalten sind. Damit wird allfälligen Missverständnissen bei einer späteren Auslegung vorgebeugt und gleichzeitig sichergestellt, dass das Testament nach dem Tod nicht ohne Wirkung bleibt.

Andererseits stellt die Urkundsperson sicher, dass der Testamentsinhalt nicht gegen zwingendes Recht verstösst. Auch die erhöhte Beweiswirkung kann einen Grund darstellen, weshalb sich ein Erblasser oder eine Erblasserin für das öffentliche Testament entscheidet. Verfasst der Erblasser oder die Erblasserin das Testament ohne Kenntnis des Erbrechts, kann es vorkommen, dass es bei der Erbteilung zu Unklarheiten kommt oder die Umsetzung gar gegen zwingendes Recht verstösst. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn die gesetzlichen Pflichtteile verletzt werden. Bei handschriftlichen Testamenten besteht erfahrungsgemäss zudem die Gefahr von Formfehlern. Das ist beim öffentlichen Testament in der Regel ausgeschlossen.

Was passiert, wenn der Wille in einem handschriftlichen Testament nicht klar zum Ausdruck kommt?

Sollte der Wille im handschriftlichen Testament nicht klar sein, steht es den Erben grundsätzlich frei, sich untereinander zu einigen. Das ist erfahrungsgemäss jedoch nicht immer möglich, weshalb im Streitfall der im Testament festgehaltene Wille des Erblassers oder der Erblasserin von den Gerichten auszulegen ist. Diese Problematik unterstreicht die Wichtigkeit klarer und widerspruchsfreier Regelungen im Testament. Unterliegt das handschriftliche Testament einem Formmangel – es fehlt beispielsweise die Unterschrift des Erblassers oder der Erblasserin oder das Testament wurde nicht von Anfang bis Ende von Hand verfasst – kann dies zur Ungültigkeit des Testaments führen. In diesem Fall bliebe der Testamentsinhalt für die Erbteilung unbeachtlich. Diese Problematik besteht beim öffentlichen Testament nicht, da die Urkundsperson die Einhaltung der zwingenden Formerfordernisse beaufsichtigt.

Gibt es auch Nachteile im Vergleich zum handschriftlichen Testament?

Im Unterschied zum handschriftlichen Testament, bei dem der Erblasser oder die Erblasserin den Willen frei zu Papier bringt, ist die Errichtung eines öffentlichen Testaments meist ein etwas aufwändigerer Prozess: Die Aufgabe der Urkundsperson besteht darin, den Willen des Erblassers oder der Erblasserin in Worte zu fassen. Meist ist der letzte Wille jedoch im Zeitpunkt des ersten Gesprächs noch nicht vollständig ausgereift. Zudem stellen sich in der Praxis nicht selten komplexe Problemstellungen des Erbrechts, die es zu lösen gilt. Die Phase der Willensbildung kann daher einige Zeit in Anspruch nehmen.

Die Kunst besteht darin, für komplexe Problemstellungen einfache Lösungen im Erbrecht und noch einfachere Formulierungen zu finden. Gefragt sind häufig auch individuelle, kreative Lösungsansätze, die sich von Fall zu Fall unterscheiden. Je nach Ausgangslage braucht es für diesen Prozess einen längeren Austausch zwischen den beteiligten Personen. Ausserdem ist die öffentliche Beurkundung mit zusätzlichen Kosten verbunden, die bei einem handschriftlichen Testament in dieser Form nicht anfallen.

Das öffentliche Testament ist vor allem bei komplexen Ausgangslagen empfehlenswert oder auch dann, wenn der Erblasser oder die Erblasserin den Inhalt des Testaments durch eine unabhängige Drittperson überprüfen lassen möchte. Das handschriftliche Testament ist für diejenigen Erblasser und Erblasserinnen zu empfehlen, die sich über die Form und Wirkung der getroffenen Verfügungen im Klaren sind.

Wer kann ein öffentliches Testament errichten?

Grundsätzlich kann jede Person ein öffentliches Testament errichten lassen, die urteilsfähig ist und das 18te Altersjahr zurückgelegt hat. Es können auch Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ein öffentliches Testament errichten lassen. Bei einem internationalen Bezug einer Erbangelegenheit ist es wichtig, dass man sich vorgängig zu diesen Fragen eingehend beraten lässt. Mit der Errichtung eines (öffentlichen) Testaments in der Schweiz ist nicht automatisch das Schweizer Recht anwendbar. Das anwendbare Recht kann sich – je nach Ausgangslage – aus dem internationalen Recht ergeben und wirkt sich massgeblich z.B. auf die Auslegung des Testaments aus.

Grundsätzlich kann jede Person ein öffentliches Testament errichten lassen, die urteilsfähig ist und das 18te Altersjahr zurückgelegt hat.

Sie haben die Urteilsfähigkeit angesprochen – wie lässt sich diese definieren?

Urteilsfähig ist, wem es nicht infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche an der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. Der Begriff der Urteilsfähigkeit enthält zwei Elemente: einerseits eine intellektuelle Komponente (nämlich die Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen), andererseits ein Willens- bzw. Charakterelement (nämlich die Fähigkeit, gemäss der vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln und allfälliger fremder Willensbeeinflussung in normaler Weise Widerstand zu leisten).

Was benötigt man für die Erstellung eines öffentlichen Testaments?

Im Grundsatz benötigt man nicht viel mehr als den Willen, über seinen Nachlass in geeigneter Form zu verfügen. Die Urkundsperson wird allenfalls benötigte Informationen beim Erblasser bzw. der Erblasserin oder bei den Behörden einholen.

Unter Umständen sind gewisse Dokumente an die Besprechung mitzubringen, damit sich die Urkundsperson eine Übersicht über die konkreten Verhältnisse verschaffen kann. Sobald alle offenen Fragen geklärt sind, wird die Urkundsperson einen Testamentsentwurf erstellen und dem Erblasser oder der Erblasserin mitteilen, in welcher Form was zu regeln ist.

Grundsätzlich ist ein öffentliches Testament jederzeit ergänzbar, sofern die zwingenden Formvorschriften eingehalten sind.

Wie läuft der Prozess der Erstellung eines öffentlichen Testaments ab?

Der Ablauf kann sich von Fall zu Fall unterscheiden. Grundsätzlich beginnt dieser Prozess mit der klaren Absicht des Erblassers oder der Erblasserin, den Nachlass verbindlich zu regeln. Manche Personen sind kurzentschlossen, andere brauchen dafür etwas länger. In der Regel folgt danach die erste Kontaktaufnahme mit der Urkundsperson oder einer anderen Fachperson, z.B. einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin, um die Einzelheiten des Testaments zu klären. In einem weiteren Schritt erstellt die Urkundsperson einen Urkundenentwurf. Dieser Prozess kann wie erwähnt einige Zeit beanspruchen. Der Abschluss des ganzen Prozesses ist die öffentliche Beurkundung des Testaments; ab diesem Zeitpunkt entfaltet das öffentliche Testament seine Wirkung.

Was kostet ein öffentliches Testament?

Das ist von Einzelfall zu Einzelfall verschieden. Massgeblich ist in der Regel der Aufwand, der im vorerwähnten Prozess anfällt. Für die Erstellung der öffentlichen Urkunde sowie die öffentliche Beurkundung gelten kantonal unterschiedliche Tarife. Die Rechtsberatung kann im Einzelfall zusätzliche Kosten verursachen.
Meine Empfehlung lautet, beim ersten Gespräch mit der Fach- bzw. Urkundsperson eine transparente Übersicht über die anfallenden Kosten zu verlangen und bei komplizierten Verfahren regelmässig eine Abrechnung erstellen zu lassen. Der Erblasser oder die Erblasserin kann selbstverständlich jederzeit Auskunft über die angefallenen Kosten verlangen. Um das Kostenrisiko bei der Beratung durch Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zu senken, kann allenfalls auch ein Pauschalhonorar für sämtliche Bemühungen vereinbart werden. Amtliche Kosten berechnen sich hingegen nach dem geltenden Tarif.

Kann man ein öffentliches Testament handschriftlich ergänzen bzw. dieses im Nachhinein abändern?

Es ist zwischen der Ergänzung und der Abänderung eines Testaments zu unterscheiden. Grundsätzlich ist ein öffentliches Testament jederzeit ergänzbar, sofern die zwingenden Formvorschriften eingehalten sind.

Bei der Änderung eines öffentlichen Testaments gilt es zu beachten, dass im Erbrecht der Grundsatz der Formstrenge gilt. Das heisst Änderungen sind in der gleichen Form zu verfügen, wie das abzuändernde Testament verfasst wurde. Eine Urkundsperson kann den Erblasser oder die Erblasserin im Einzelfall kompetent zu diesen Fragen beraten. Je nach Situation kann es Sinn machen, ein vollständig neues Testament zu verfassen. Handelt es sich beim abzuändernden Dokument um ein öffentliches Testament empfehle ich, dass die Änderungen oder Ergänzungen mit der Urkundsperson besprochen werden. Diese bewahrt eine originale Abschrift der aktuell gültigen Urkunde bei sich auf.

Wo wird das öffentliche Testament aufbewahrt?

Die Urkundsperson ist verpflichtet, ein Original bei sich aufzubewahren. Darüber hinaus gibt es je nach Kanton auch die Möglichkeit, das Testament bei einer dafür vorgesehenen Stelle zu hinterlegen.
In jedem Fall sollte der Erblasser oder die Erblasserin daran denken, dass das Testament im Todesfall auch tatsächlich auffindbar ist. Ein Testament zu verstecken, ist daher nicht ratsam.

Worauf sollte man bei der Erstellung eines öffentlichen Testaments Ihrer Meinung nach besonders achten?

Die Erstellung eines Testaments ist ein langwieriger Prozess, der ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Urkundsperson und dem Erblasser oder der Erblasserin erfordert. Sofern dieses Vertrauen nicht aufgebaut werden kann oder dieses im Laufe der Zeit gestört wird, sollte ein Wechsel der Urkundsperson in Betracht gezogen werden. Der Erblasser oder die Erblasserin ist in keinem Fall dazu verpflichtet, die Errichtung des Testaments bei einer bestimmten Person zum Abschluss zu bringen. Ich rate Erblassern und Erblasserinnen kritisch nachzufragen, wenn die Formulierung im Testament unklar ist.

Es kann durchaus vorkommen, dass der Wille des Erblassers oder der Erblasserin falsch verstanden wurde. Erblasser und Erblasserinnen sollten bei komplexen Ausgangslagen auf eine einfache und verständliche Formulierung im Testament beharren. Dabei ist immer daran zu denken, dass ein Testament später von den Erben, einem Willensvollstrecker oder unter Umständen von Gerichten gelesen wird. Testamente sollten wenn immer möglich nicht unter Zeit- oder Druck von externer Seite erstellt werden. Ich rate, die Empfehlungen der Fach- und Urkundspersonen zu beachten und bei Zweifeln eine Zweitmeinung einzuholen.

Wie können Sie – als Erbrechtsexperte und öffentlicher Notar – Mandanten bei der Erstellung eines öffentlichen Testaments behilflich sein?

Als Anwalt und öffentlicher Notar des Kantons St. Gallen bin ich dazu in der Lage, Erblasser und Erblasserinnen von Anfang bis Schluss auf dem Weg zu ihrem Testament zu begleiten. Das gilt insbesondere auch für das öffentliche Testament. Zudem lege ich grossen Wert auf eine vertrauensvolle und umfassende Beratung, die keine Fragen offenlässt.

Die Erstellung eines Testaments ist ein langwieriger Prozess, der ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Urkundsperson und dem Erblasser oder der Erblasserin erfordert.

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