Testament anfechten: Wie funktioniert das und wie kann mich ein Anwalt unterstützen?
- 8. Juli 2021
- Rechtsinterview
- Erben & Erbgang
Wie läuft eine Testament Anfechtung ab? Wer kann ein Testament überhaupt anfechten? Wie kann ein Anwalt bei der Anfechtung behilflich sein? Worauf Sie vorab unbedingt achten sollten, erklärt Rechtsanwalt Fabian Steuri im Experteninterview.
Fabian Steuri ist Rechtsanwalt und öffentlicher Notar. Als Spezialist für Erbrecht berät er kompetent in sämtlichen Belangen rund um Testament, Nachlassregelung, Erbvertrag und Vorsorge in 9500 Wil. Fabian Steuri ist eingetragen im St. Galler Anwaltsregister und St. Galler Register der Notare. Nach Absolvierung der juristischen Ausbildung an der Universität St. Gallen ist er seit 2014 als Rechtsanwalt zugelassen. In seiner Kanzlei werden Mandanten mehrsprachig in Deutsch, Englisch und Französisch betreut.
Rechtsanwalt für Erbrecht
- Schwerpunkte: Testament, Nachlassregelung, Erbteilung
- Kanzlei: 9500 Wil
- Zulassung seit: 2014
Wann kann man ein Testament anfechten?
Ein Testament kann dann angefochten werden, wenn es ungültig ist oder sich der Inhalt als rechtswidrig erweist. Je nachdem sind unterschiedliche Klagen einzubringen.
Die Anfechtung eines Testaments ist dann möglich, wenn dieses ungültig oder der Inhalt rechtswidrig ist.
M.A. HSG Fabian Steuri
Wer kann ein Testament anfechten?
Hier gilt es zu unterscheiden: Es gibt einerseits die Ungültigkeitsklage und andererseits die Herabsetzungsklage.
Bei der Ungültigkeitsklage ist jeder zur Anfechtung berechtigt, der als Erbe in Erwägung kommt. Zunächst sind damit einmal gesetzliche Erben gemeint, jedoch sind auch eingesetzte Erben oder Vermächtnisnehmer aus einer früheren Verfügung von Todes wegen aktiv legitimiert, sofern diesen bei der Aufhebung des aktuellen Testaments ein Vorteil zukommen würde.
Bei der Herabsetzungsklage hingegen sind nur diejenigen Erben aktiv legitimiert bzw. steht die Klage offen, die in ihrem Pflichtteil verletzt werden.
Herabsetzungsklage versus Ungültigkeitsklage: Was unterscheidet sie?
Die Ungültigkeitsklage gilt der Beanstandung von inhaltlichen und formellen Mängeln des Testaments. Die Herabsetzungsklage kommt dann zum Zug, wenn der Erblasser seine Verfügungsbefugnis überschritten hat und er pflichtteilsgeschützte Erben in ihrem Pflichtteil verletzt hat.
Testamentsanfechtung – Wie stellt sich der Ablauf in der Praxis dar?
Zunächst gilt es, die Rechtslage zu beurteilen: Liegt hier ein Inhaltsmangel oder ein Mangel direkt am Testament vor? Danach ist empfehlenswert gemeinsam mit einem Anwalt zu prüfen, welche nächsten Schritte in der konkreten Situation am sinnvollsten sind. Möglich ist es, zuerst das Gespräch mit den anderen Miterben zu suchen oder auch direkt ein Klageverfahren einzuleiten, ein sogenanntes Schlichtungsbegehren.
Die konkreten Schritte der Testamentsanfechtung sollten am besten gemeinsam mit einem Anwalt geprüft werden.
M.A. HSG Fabian Steuri
Gibt es eine Frist für die Anfechtung eines Testaments?
Ja, diese Fristen sind sogar relativ kurz. Sowohl bei der Ungültigkeitsklage als auch bei der Herabsetzungsklage beginnt die Frist ein Jahr ab Kenntnisnahme des Ungültigkeitsgrundes bzw. der Pflichtteilsverletzung.
Wer bezahlt die Prozesskosten?
In erbrechtlichen Streitigkeiten erfolgt die Kostenaufteilung in der Regel nicht nach dem Verhältnis des Obsiegens oder des Unterliegens, wie es im Zivilrecht sonst üblich ist. Vielmehr wird er schlussendlich auf alle Erben verteilt. Es ist allerdings in Ausnahmefällen möglich, dass gewisse Erben einen größeren Kostenanteil auferlegt bekommen.
Der Wermutstropfen daran ist, dass der Kläger die Gerichtskosten vorschießen muss. Das heißt, diese müssen wirklich vorab bezahlt werden. Gerade in Erbfällen kann das eine sehr hohe Summe ausmachen, weil auch die Gerichtskosten nach dem Streitwert gerichtet werden. Der Streitwert wird nämlich ausgehend vom gesamten Nachlass bzw. dem zu teilenden Betrag berechnet und ist dementsprechend zumeist hoch. Zu betonen ist allerdings, dass eine unentgeltliche Rechtspflege gewährt wird, falls eine Partei oder der Kläger mittellos ist und sich diese Kosten nicht leisten kann.
Kann man eine Enterbung anfechten?
Ja, sofern beim Testament die gesetzlichen Enterbungsgründe nicht erfüllt werden. Diese Hürden sind von Gesetzes wegen sehr hoch. Falls diese nicht erfüllt werden, ist es notwendig, diese Enterbung anzufechten. Die Praxis zeigt dennoch, dass in den überwiegenden Fällen die Enterbung nicht zulässig war, respektive der Erblasser durch die Enterbung seiner Verfügungsbefugnis überschritten hatte.
Strafklausel gegen Anfechtung im Testament: Was tun?
Dabei handelt es sich um privatorische Klauseln. Auch hier gilt es zunächst zu prüfen, ob der Anfechtungsgrund berechtigt ist oder nicht. Wenn dieser Anfechtungsgrund gegeben ist, dann hat der Kläger eben auch keine Einschränkung betreffend die Größe seiner Erbschaft zu befürchten. Hingegen ist bei Unterliegen des Klägers damit zu rechnen, dass er auf den Pflichtteil gesetzt wird, weil es diese privatorische Klausel gibt. Daher ist es vorab entscheidend, sich gut zu überlegen, ob man mit der Anfechtung auf der sicheren Seite ist.
Welche Rechtsfolgen haat eine erfolgreiche Anfechtung?
Bei einer erfolgreichen Anfechtung entfalten die privatorischen Klauseln keine Wirkung.
Wie kann mich ein Anwalt bei der Testament Anfechtung unterstützen?
In erster Linie kann ein Anwalt dahingehende Unterstützung leisten, die Rechtslage sauber zu beurteilen. Das gibt in der Regel direkt einen guten Überblick.
Sofern man dann zum Schluss kommt, dass ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden soll, soll dies von einer Fachperson gemacht werden. Dies vor dem Hintergrund, da allfällige Fehler im Nachhinein nicht mehr behoben werden können.
Was würden Sie unseren Usern vor dem Gerichtsgang empfehlen?
Falls sich bereits eine Lösung zwischen den Erben finden lässt, kann ein Anwalt zugezogen werden, um dieses Einvernehmen zu Papier zu bringen. Sollte sich keine Lösung finden, empfehle ich, möglichst rasch einen Anwalt aufzusuchen. Dies insbesondere in Hinblick auf die laufenden Fristen und gegebenenfalls auch, um die Ausstellung eines Erbscheines zu verhindern. Bei der Ausstellung des Erbscheines vergeht die Frist zur Anfechtung viel früher, nämlich nach einem Monat ab dem Zeitpunkt der Testamentseröffnung. Das sollte vermieden werden.
Ich rate grundsätzlich zuerst das Gespräch zwischen den Erben zu suchen. Wenn man offen kommuniziert, ergibt sich häufig eine einvernehmliche Lösung.
M.A. HSG Fabian Steuri
Rechtsanwalt für Erbrecht