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Die Erbfolge mit Testament und der Pflichtteil – Darauf sollte man achten!

Dr. Andreas Haffter im Interview

Verfasst man kein Testament, erben nur die gesetzlichen Erben – das sind die überlebenden Ehepartner bzw. eingetragenen Partner und bestimmte Verwandte eines Erblassers/Erblasserin. Das ändert sich, sobald jemand seine Erbfolge mit einer Verfügung von Todes wegen in einer von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Weise regelt. Der Zürcher Erbrechtsexperte Dr. Andreas Haffter erklärt, wie ein Testament die Erbansprüche gesetzlicher Erben beeinflussen kann, was Pflichtteile damit zu tun haben und wie sich diese durch die Erbrechtsrevision ab 1. Januar 2023 verändern.

Dr. Haffter schloss sein Studium an der Universität Zürich 1984 mit einer Dissertation im Familien- und Sozialversicherungsrecht ab. Im Anschluss an seine Promotion erwarb er 1988 das Anwaltspatent und berät seither sowohl kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) wie auch Privatklienten in allen möglichen Rechtsbereichen. Berufsbegleitend studierte er zusätzlich noch Theologie und schloss eine Ausbildung in humanistischer Psychologie (themenzentrierte Interaktion) ab. Mittlerweile ist er Vater von drei erwachsenen Kindern und seit dreissig Jahren glücklich verheiratet. Mit all diesem Erfahrungs- und Wissenshintergrund kann er seine Klienten auch in hochemotionalen Problemen, wie es Nachlassfälle sein können, bestens beraten.

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Dr. Andreas Haffter

Rechtsanwalt für Erbrecht

Wer hat Anspruch auf das Erbe, wenn es kein Testament gibt? Wer hat Anspruch auf Pflichtteile?

Wenn keine Verfügung von Todes wegen, insbesondere kein Testament vorliegt, so bestimmt das Gesetz, welche Personen mit welchen Quoten am Nachlass berechtigt sind. Im Wesentlichen werden dabei zwei Gruppen unterschieden: Einerseits die Verwandten des Erblassers, andererseits ein überlebender Ehegatte oder eingetragener Partner.

Innerhalb der Verwandtschaft stellt das Gesetz eine Hierarchie auf, welche Personen in welcher Reihenfolge erbberechtigt sind – das sogenannte Parentelsystem. In erster Linie sind die Nachkommen des Erblassers erbberechtigt – seine Kinder und, wenn es keine Kinder gibt, seine Enkelkinder usw. Hat der Erblasser keine Nachkommen, fällt der Nachlass an die Eltern des Erblassers; wenn diese verstorben sind, an seine Geschwister und deren Kinder. Sind die Eltern und deren Nachkommen nicht mehr am Leben, erben die Grosseltern des Erblassers und deren Nachkommen.

Wenn von den genannten Verwandten alle vor dem Erblasser verstorben sind und es zudem keinen überlebenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partner gibt, so  geht der Nachlass an das Gemeinwesen.

Nicht alle gesetzlichen Erben haben auch Anspruch auf Pflichtteile. Nach dem aktuellen Recht sind nur der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner, die Nachkommen und Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Dies bedeutet, dass ihnen ein Teil ihrer gesetzlichen Erbquote vom Erblasser grundsätzlich nicht durch eine Verfügung von Todes wegen entzogen werden kann.

Welchen Einfluss nimmt ein Testament auf die Erbansprüche gesetzlicher Erben?

Mittels Testament können die Erbansprüche der gesetzlichen Erben auf ganz unterschiedliche und vielfältige Weise beeinflusst werden.

  • So können die gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil gesetzt werden, was eine Reduktion des gesetzlichen Erbanspruches bedeutet und die Verfügungsfreiheit des Erblassers erhöht.
  • Der Erblasser kann sodann pflichtteilsgeschützte Erben auch enterben, d.h. ihnen den Pflichtteil entziehen. Dies ist jedoch nur bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen möglich, nämlich falls der betreffende Erbe eine schwere Straftat begangen oder familienrechtliche Verpflichtungen schwer verletzt hat oder gegen ihn Verlustscheine vorliegen.
  • Im Testament kann die – an sich von Gesetzes wegen bestehende, oft aber nicht bewusste – Ausgleichungspflicht für lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen festgehalten, präzisiert oder aufgehoben werden. Damit trägt der Erblasser zur Klärung der Berechnung des Nachlassvermögens und damit der Erb- bzw. Pflichtteilsansprüche bei.
  • Ausserdem können per Testament bestimmte Vermögensgegenstände im Sinne einer Teilungsvorschrift spezifischen Erben zugewiesen werden, etwa das schönste Möbelstück, das man besitzt, ein Bild oder auch Aktien an einem Unternehmen.
  • Darüber hinaus können auch für die Erbquote, die den Pflichtteil übersteigt, Auflagen und Bedingungen festgelegt werden, die die Verwendung des Nachlasses durch die Erben beeinflussen.
  • Im Weiteren kann der Erblasser zugunsten einer natürlichen oder juristischen Person – sei diese Erbe oder nicht – ein Vermächtnis anordnen. Damit räumt er der begünstigten Person eine Forderung auf Verschaffung des von ihm bezeichneten Vermögensgegenstand ein, ohne ihr die Stellung eines Erben zu verschaffen.
  • Ausserdem kann der Erblasser – soweit dadurch nicht Pflichtteilsansprüche beeinträchtigt werden – auch natürliche und/oder juristische Personen als Erben einsetzen, allenfalls sogar mit einer Nacherbeneinsetzung.

Da die Möglichkeiten so vielfältig sind, ist es notwendig, dem Erblasser aufzuzeigen, wie und wieviel er gestalten kann.

Im Testament kann der Erblasser natürliche oder juristische Personen als Erben einsetzen. Natürliche Personen müssen beim Verfassen des Testaments noch nicht geboren sein, juristische noch nicht gegründet.

Wen kann der Erblasser im Testament als Erben einsetzen?

Er kann natürliche und/oder juristische Personen einsetzen. Natürliche Personen müssen beim Verfassen des Testaments noch nicht geboren sein, juristische noch nicht gegründet.

Die Person muss bestimmbar sein, es kann sich auch um noch nicht geborene Kinder oder noch nicht gegründete Stiftungen handeln. Personen, die kein gesetzliches Erbrecht haben, können eingesetzt werden, aber auch gesetzliche Erben können mit einer spezifischen zusätzlichen Quote im Testament bedacht werden.

Gibt es Grenzen der Verfügung des Erblassers über sein Nachlassvermögen?

Ja, es gibt in unterschiedlicher Hinsicht Grenzen. Im Detail:

  • Formell muss ein Testament entweder vom Erblasser vollständig von Hand geschrieben oder vor einem Notar beurkundet werden. Letzteres gilt auch für Erbverträge. Ein mündliches Testament ist also nicht möglich, es sei denn, ein Notfall liegt vor. Man kann ein Testament auch nicht mit der Schreibmaschine schreiben und dann unterschreiben.
  • Sodann muss der Erblasser den Inhalt des Testamentes selber mit hinreichender Genauigkeit bestimmen und darf etwa die Bestimmung des Vermächtnisnehmers nicht an den Willensvollstrecker delegieren.
  • Die wichtigste Einschränkung sind aber sicherlich die Pflichtteile

Wie viel betragen die Pflichtteile für die jeweiligen Berechtigten derzeit noch?

Nach dem jetzigen Recht ist es so, dass die Nachkommen einen Pflichtteil von ¾ ihres gesetzlichen Anspruches haben, die Eltern ½. Der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner erhält die Hälfte seines gesetzlichen Erbanspruchs. Der Erblasser kann den überlebenden Ehegatten auch gegenüber den gemeinsamen Kindern begünstigen, dann reduziert sich deren Pflichtteil.

Was ändert sich hier, wenn das revidierte Erbrecht 2023 in Kraft tritt?

Die Revision hat das Ziel, die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu erhöhen. Dafür werden die Pflichtteile reduziert: Die der Nachkommen von ¾ auf ½, die der Eltern entfallen ganz. Diese Regelung gilt, wenn der Nachlassfall nach dem 1. Januar 2023 eintritt.

Hat der Erblasser schon vorher ein Testament erstellt, worin er Erben auf den Pflichtteil gesetzt hat, kann sich die Frage stellen, ob der Erblasser den im Zeitpunkt der Erstellung geltenden Pflichtteil oder den im Erbfall gültigen Pflichtteil gemeint hat. Personen, welche bereits ein pflichtteilsrelevantes Testament verfasst haben, sollten mit einem Juristen klären, was genau gelten soll.

Kann der Pflichtteil einzelner Erben mittels Testament gesenkt werden?

Jein. Grundsätzlich kann ich im Testament Pflichtteile reduzieren, obwohl ich weiss, dass sie damit verletzt werden und das Testament deshalb angefochten werden kann. Unterbleibt aber eine solche Anfechtung oder erfolgt sie nicht innert der gesetzlichen Frist, so bleibt das Testament gültig. Zu beachten ist allerdings, dass eine solche Reduktion des Pflichtteils mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Streit unter den Nachkommen führt.

Abgesehen von einer Reduktion des Pflichtteils gibt es noch die folgenden Möglichkeiten:

  1. Enterbung: Hierbei gibt es aber sehr strenge Voraussetzungen: Der fragliche Pflichtteilserbe muss entweder dem Erblasser gegenüber eine schwere Straftat begangen oder familienrechtliche Pflichten schwer verletzt haben. Auch ist eine Enterbung möglich, wenn gegen ihn bei Eröffnung des Erbganges Verlustscheine in nicht unerheblicher Höhe bestehen.
  2. Der Erblasser kann seinen überlebenden Ehepartner oder eingetragenen Partner gegenüber den gemeinsamen Nachkommen begünstigen.

Abgesehen vom Juristischen – Pflichtteilsverletzende Testamente können bei den betroffenen Erben zu emotionalen und menschlichen Unstimmigkeiten führen. Das sollte man ebenfalls berücksichtigen.

Welche Folgen zieht eine Verletzung der Pflichtteile im Testament nach sich?

Wird es nicht angefochten, bleibt es gültig; ein pflichtteilsverletzendes Testament ist nicht per se ungültig. Der betroffene Pflichtteilserbe muss sich gegen die Pflichtteilsverletzung fristgerecht vor dem zuständigen Gericht zur Wehr setzen.  Das Gesetz sieht für diesen Fall die Herabsetzungsklage vor, das heisst, dass die Erbteile der übrigen Erben herabgesetzt werden, sodass der Pflichtteil gewahrt wird. Allenfalls gibt es auch noch die Möglichkeit, das Testament mit einer Ungültigkeitsklage gänzlich als ungültig erklären zu lassen.

Abgesehen vom Juristischen – Pflichtteilsverletzende Testamente können bei den betroffenen Erben zu emotionalen und menschlichen Unstimmigkeiten führen. Das sollte man ebenfalls berücksichtigen.

Worauf sollte bei der Erstellung des Testaments im Hinblick auf den Pflichtteil geachtet werden?

Man sollte wie gesagt im Blick behalten, dass eine Verletzung der Pflichtteile zu Unstimmigkeiten führen kann. Wichtig ist auch, dass man bei der Erstellung des Testaments klärt, was die finanziellen Grundlagen sind, was die Nachlassmasse beinhaltet und welche lebzeitigen Zuwendungen ausgleichspflichtig sind.

Wie können Sie als Erbrechtsanwalt Menschen dabei helfen, ein Testament zu erstellen?

Zuerst definiere ich die Vermögensausgangspunkte: Was ist der konkrete Vermögensstand? Was sind die ausgleichungspflichtigen Erbvorbezüge oder Schenkungen? Hier sollte Klarheit herrschen. Dass lebzeitige Schenkungen zur Nachlassmasse gehören, ist vielen nicht bewusst. Wenn der Testator darüber hinaus an einem Familienunternehmen beteiligt ist, gilt es auch, die Überlebensfähigkeit dieses Unternehmens zum Beispiel durch Zuteilung der Aktien sicherzustellen.

Wichtig scheint mir, dass man im Gespräch mit dem Testator klärt, welche Ziele er mit seinem Testament erreichen will: Will er Frieden schaffen, will er die Situation unter seinen Erben ausgleichen, die Gleichbehandlung seiner Eben sicherstellen, bestimmte Personen bewusst besonders begünstigen etc.? Die Verteilung des Erbes mittels Testament ist eine der letzten Handlungen, die ein Mensch hinterlässt und kann als solche zu grossen Emotionen unter den Erben führen. Ich mache dem Testator bewusst, was er hier hinterlassen kann, aber auch, was er klären kann. Mit einem ausgewogenen, klaren Testament kann der Testator seinen Nachkommen helfen, mit der aufwühlenden Situation nach seinem Tod umzugehen.

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Dr. Andreas Haffter

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