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Streitfall beginnende Demenz und Testierfähigkeit

Rechtsanwältin lic. iur. Melanie Strässle im Interview

Eine Person muss mindestens 18 Jahre alt und urteilsfähig sein, um ein Testament errichten zu können. Was unter der sogenannten Testierfähigkeit genau zu verstehen ist und worauf in diesem Zusammenhang jedenfalls zu achten ist, beantwortet Ihnen Rechtsanwältin lic. iur. Melanie Strässle.

Nach Abschluss ihres Studiums war lic. iur. Melanie Strässle mehrere Jahre als Gerichtsschreiberin an einem Bezirksgericht tätig, wo sie u.a. für Verfahren im Bereich Familien-, Güter- und Erbrecht zuständig war. Seit 2017 amtet sie für dasselbe Bezirksgericht als nebenamtliche Ersatzrichterin.

Im Jahr 2016 erlangte lic. iur. Melanie Strässle das Anwaltspatent. Sie arbeitet seit 2017 als Rechtsanwältin und öffentliche Urkundsperson für die Muri Partner Rechtsanwälte AG, wobei das Erbrecht zu ihrem Spezialgebiet gehört. Ebenfalls ist sie im Nebenamt als Aktuarin ad hoc für das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden tätig.

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lic. iur. Melanie Strässle

Rechtsanwältin für Erbrecht

Was ist mit der Testierfähigkeit gemeint und wann ist jemand testierfähig?

Unter Testierfähigkeit versteht man die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten. Testierfähig ist, wer 18 Jahre alt und urteilsfähig ist. Urteilsfähig im Sinne des ZGB ist eine Person, der nicht die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln, z.B. infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlichen Zuständen.

Ist man mit der Diagnose Demenz automatisch testierunfähig? 

Nein. Es ist jeweils im Einzelfall in Bezug auf die konkrete Situation zu beurteilen, ob die Person noch urteilsfähig ist bzw. inwieweit die Demenzdiagnose sich auf die Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln, auswirkt. Hier spielt es sicherlich eine Rolle, in welchem Stadium sich die Demenz befindet.

Es ist jeweils im Einzelfall in Bezug auf die konkrete Situation zu beurteilen, ob die Person noch urteilsfähig ist bzw. inwieweit die Demenzdiagnose sich auf die Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln, auswirkt.

Muss man als dementer Mensch beweisen, dass man noch urteilsfähig ist?

Eine demente Person kann jederzeit ein Testament verfassen. Die Frage, ob dieses rechtsgültig ist, stellt sich in der Regel erst beim Ableben der Person, wenn das Testament angefochten wird.

Die Urteilsfähigkeit wird als Normalzustand betrachtet und grundsätzlich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung vermutet. Das Gesetz geht somit davon aus, dass jemand urteilsfähig ist, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Jedoch findet in speziellen Situationen eine Umkehr der Beweislast statt. Nämlich dann, wenn die allgemeine Lebenserfahrung den Schluss zulässt, dass die Urteilsfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Dies gilt beispielsweise bei Personen mit einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung. Hier liegt es an derjenigen Person, die aus dem Testament ein Interesse ableiten möchte, zu beweisen, dass die demenzkranke Person im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments urteilsfähig war.

Demenz hin oder her, ich weiss was ich will. Was tun, wenn es zum Streitfall kommt? 

In einem solchen Fall ist es wichtig, dass die Urteilsfähigkeit bzw. eine allenfalls vorhandene Demenzerkrankung abgeklärt und vom behandelnden Arzt eine entsprechende Bescheinigung bzw. Einschätzung über die Urteilsfähigkeit oder je nach Einzelfall sogar ein medizinisches Gutachten eingeholt wird.

Kann es Sinn machen, ein Testament aufgrund der Demenz des Erblassers anzufechten?

Ja, sofern Zweifel an der Urteilsfähigkeit sowie Zweifel am mutmasslichen Willen des Erblassers bestehen.

Wer entscheidet, ob ein Mensch mit Demenz über seinen Nachlass verfügen kann?

Ein Mensch mit Demenz kann zu Lebzeiten jederzeit ein eigenhändiges Testament erstellen und somit über seinen Nachlass verfügen. Die Frage der Gültigkeit stellt sich – wie bereits ausgeführt – nach dem Ableben. Bei der Erstellung eines öffentlichen Testaments, welches von einer Urkundsperson unter Mitwirkung von zwei unabhängigen Zeugen errichtet wird, kann die Urkundsperson bei Zweifel an der Urteilsfähigkeit die Beurkundung ablehnen und weitere Abklärungen vornehmen.

Wird das Testament nach dem Ableben des Erblassers / der Erblasserin angefochten, entscheidet im Streitfall das Gericht unter Würdigung der vorliegenden Beweise.

Worauf stützen sich Gerichte bei dieser Entscheidung?

Das Gericht hat den Entscheid über die Testierfähigkeit anhand der gesamten Umstände zu treffen. Dabei berücksichtigt es als Beweismittel u.a. die Aussagen von Zeugen wie Verwandte, Bekannte, Medizinalpersonen oder am Testament mitwirkende Personen sowie medizinische Tests oder Gutachten. Diese Aufzählung ist natürlich nicht abschliessend.

Wird das Testament nach dem Ableben des Erblassers / der Erblasserin angefochten, entscheidet im Streitfall das Gericht unter Würdigung der vorliegenden Beweise.

Welchen Einfluss nimmt das Erwachsenenschutzrecht auf die Nachlassplanung?

Das Erwachsenenschutzrecht sieht u.a. Massnahmen im Hinblick auf einen möglichen Verlust der Urteilsfähigkeit vor. So können in einem Vorsorgeauftrag, diejenigen Personen bestimmt werden, die für einen entscheiden und handeln sollen, wenn man selber infolge Urteilsunfähigkeit hierzu nicht mehr in der Lage ist. In einer Patientenverfügung können sodann Anordnungen mit Bezug auf medizinische Massnahmen für den Fall der Urteilsunfähigkeit getroffen werden. Eine sorgfältige Vorsorge zu Lebzeiten gehört ebenso zu einer guten Vorsorge- und Nachlassplanung wie die Vorbereitung des Todesfalls mittels Erbvertrags oder Testaments.

Eine sorgfältige Vorsorge zu Lebzeiten gehört ebenso zu einer guten Vorsorge- und Nachlassplanung wie die Vorbereitung des Todesfalls mittels Erbvertrags oder Testaments.

Rechtstipp: Was raten Sie dementen Menschen, die ein Testament verfassen möchten?

Im Fall einer Demenzerkrankung empfehle ich dringend die Abfassung eines öffentlichen Testaments mit entsprechender notarieller Beurkundung sowie die Einholung einer ärztlichen Beurteilung/Gutachten betreffend die Urteilsfähigkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Zudem rate ich bei einer solchen Krankheit, frühzeitig ein Testament zu errichten, da das Krankheitsstadium einen Einfluss auf die Vermutung der Urteilsfähigkeit haben kann. 

Wie können Sie – als Erbrechtsanwältin – Mandanten in Bezug auf diese Thematik behilflich sein?

Ich kann die Mandanten zu dieser Thematik umfassend beraten und sie bei der Errichtung eines Testaments unterstützen, um spätere Auseinandersetzungen nach dem Ableben möglichst zu vermeiden. Ebenfalls vertrete ich Hinterbliebene bei einer Anfechtung des Testaments im Streitfall vor Gericht.

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lic. iur. Melanie Strässle

Rechtsanwältin für Erbrecht

Fragen zum Thema Testierfähigkeit?
Rechtsanwältin lic. iur. Melanie Strässle informiert Sie ausführlich über das Thema Testierfähigkeit und unterstützt Sie bei der Errichtung Ihres Testaments.